(415) Zugvögel
Ich habe das Bedürfnis und die Möglichkeit, der Wärme und dem schönen Wetter nachzureisen. Mit mir teilen dies [Weiterlesen …]
Am 15. Januar 2005, die Tinte auf dem Kaufvertrag ist kaum trocken, treffe ich meinen Architekten und seinen bauführenden Freund im noch unrenovierten Haus. Es ist eiskalt und düster. Nach einer Stunde Besprechung, meine Füsse sind inzwischen tiefgefroren, dislozieren wir ins benachbarte Restaurant.
Gerade nachdem der Kaffee und die Schokolade serviert sind, wird es stockfinster. Stromausfall. Das gäbe es hier häufig. Das könne Stunden dauern und in den Weilern draussen sogar Tage. Die Wirtin hat alles im Griff. Die Kerzen stehen schon überall und die Zündhölzer liegen auch griffbereit. Nach drei Stunden, der Strom lässt immer noch auf sich warten und die Herren sind abgereist, bereitet mir der Koch eine Omelette auf dem Gasherd zu. Da ich in der Schweiz praktisch nie einen Stromausfall erlebt hatte, erkenne ich erst jetzt, was da so fehlt. Keine Heizung mehr, die Espresso-Maschine legt ihre Funktion nieder, kein Telefon, kein Computer, kein Kochherd, kein Frigo, kein Tiefkühler, keine Waschmaschine, kein Tumbler ist mehr in Betrieb. Daher steht heute im Haus auch ein Holzofen. In jedem Raum befinden sich Kerzen und neben dem Kerzenhalter Zündhölzer. Die Taschenlampe ist immer in meiner Handtasche und ich bin nie ohne Handtasche. Schwankt wieder einmal der Strom, stürze ich zur Espressomaschine, um mir vor dem grossen Gau einen letzten Kaffee zu genehmigen. Zum Telefonieren habe ich mein Schweizer Handy behalten. Kostet zwar was, aber die Funklöcher der diversen französischen Anbieter weiss das Handy (Roaming!) zu umgehen. Neben dem Strom war auch schon das Wasser weg. Die Gemeinde bastelte am Verteiler, das konnte der werte Bezüger selbst herausfinden. Zum Glück stand ich nicht gerade eingeseift unter der Dusche.
Der erste Sturm - wir sind hier nicht in den geschützten Bergtälern - pfiff bedrohlich durch das Haus. Meine Katzen suchten auf dem Bauch kriechend unter den Betten und in den Schränken Obdach. Anderntags durfte der Schreiner kommen und die vergessenen Fugen dichten. Ein ander Mal, ich kehrte von einem Tagesausflug nach Bern zurück, fand ich die Toilette überschwemmt. Auf der Toilette, ich musste eben dringend, ergoss sich das Wasser aus der Lampenfassung auf mein Haupt. Der Dachdecker eilte zuerst mir zu Hilfe, eben ein Gentleman, und fand eine Fuite (Leck) auf dem Dach. Da wäre ich am liebsten geflüchtet (prendre une fuite). Im Treppenhaus tropfte es auch. Also wurde provisorisch abgedichtet, und anderntags kaufte ich mehrere grosse Blachen. Die sind ein gängiges Angebot in den Baumärkten. Das Provisorium hat glücklicherweise drei Jahre, bis zur Dachrenovation, gehalten.
Der Gemeindepräsident ist des öftern Urheber einer Überraschung. Eines Tages stand ein grosser Pneukran in meiner Einfahrt.
Lieber die Axt im Haus als den Pneukran im Garten
(Bild: Catherine Beuret)
Auch dem Nachbarhaus, eine Neuaquisition der Gemeinde, fehlte ein anständiges Dach. Dachdecker sollten für Abhilfe sorgen. Leider verfügt das Nachbarhaus über keinen Umschwung. So hatte ich Gelegenheit mich freundlich zu zeigen und während mehreren Wochen mein Auto auf dem Kirchplatz zu parkieren.
Dann musste die Gemeinde, Eigentümerin des benachbarten Restaurants, das Restaurant sanieren. Eines schönen Tages klingelte es. Der Gemeindepräsident stand sonnig lächelnd vor der Tür. In der Hand hielt er ein Dokument. Er habe gedacht, er bringe mir das neue Gemeindebulletin vorbei. Wie es mir so gehe. Nach dem es mir gut ging, fragte ich ihn, wie es mit der Sanierung des Restaurant so gehe. Ja eben, die Küche sei viel zu klein und es gebe keinen zusätzlichen Raum zum Ausbauen. Das fand ich ebenfalls traurig. Er möchte mich fragen, ob ich eventuell meinen kleinen, ans Restaurant angrenzenden Stall verkaufen würde?
Der kleine Stall (Bild: Catherine Beuret)
Darüber kann man sicher sprechen, Was er sich als Preis denn so vorstelle? Ich als Ausländerin habe nämlich keine Ahnung, was da anständig sei. Ja, er habe auch keine Ahnung. Schlitzohr! Wir vereinbaren, dass ich mich bei meinem Agenten und einer Notarin erkundige. Originalton der Notarin, das sei nicht mehr viel wert. Sie gebe mir eine Höchstschätzung, damit der Gemeindepräsident noch märten (feilschen) könne. Die Notarin, so hörte ich später, arbeitet auch für die Gemeinde. Dann ging ich in die Bäckerei und fragte um Rat. Die Bäckersfrau, graue Eminenz, hat auch absolut keine Ahnung, ob der geschätzte Preis anständig ist. Anschliessend fragte ich die Mutter des Gemeindepräsidenten um Rat. Sie kann auch nicht helfen. So meldete ich den Maximalpreis als Forderung.
Dann hörte ich einige Wochen nichts. Bei einem Spaziergang gratulierte mir ein werter Mitbewohner zum erfolgreichen Kaufbeschluss anlässlich der letzten Sitzung des Gemeinderates. Das stehe im neuen Bulletin. Das wurde mir nicht mehr vorbeigebracht. Es wunderte auch niemanden mehr, am wenigsten mich, als erneut schwere Maschinen die Durchfahrt blockierten. Schon eine halbe Stunde später kam der Gemeindepräsident und vermeldete, der alte Anbau am Restaurant werde abgebrochen.
Derselbe Gemeindepräsident zeigte mir mehrere Stunden die alten Bücher von Marizy. Er stellte mir die Besitzergeschichte meines Hauses zusammen. Als Krönung kriegte ich eine rare Fotografie der ehemaligen romanischen Kirche von Marizy geschenkt.
Fazit: Flexibilität ist angesagt.
♦
Ich habe das Bedürfnis und die Möglichkeit, der Wärme und dem schönen Wetter nachzureisen. Mit mir teilen dies [Weiterlesen …]
Hinweis: Am 4. September startet die fünfteilige TV-Serie «Auf und davon» im Schweizer Fernsehen. Die Serie berichtet von ausgewanderten Schweizerinnen und Schweizern. Die pensionierten Auswanderer vertritt der ehemalige «Tagesschau»-Moderator Hansjörg Enz. Er lebt als Entwicklungshelfer im Kongo.
Θ
Weiterführende LinksÂ
TV-Serie «Auf und davon»
Nach vielen Reisen in Südamerika und vor allem in Brasilien habe ich einen kleinen Einblick in diese Länder erhalten. Die Gegensätze könnten [Weiterlesen …]
“In three words I can sum up everything I’ve learned about life: it goes on.” (Robert Frost). “In drei Worten kann ich zusammenfassen, was ich übers Leben gelernt habe: Es geht weiter!” sagte [Weiterlesen …]
Bis nach Hausen fehlen noch ein paar Kilometer (siehe vorhergehenden Bericht). Ãœber Realico zum 600 km entfernten Santa Rosa versuchen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit einen ersten Teil der Provinz La Pampa zu durchqueren. Nachts zu fahren [Weiterlesen …]
Auf Anraten des letzten Tankwarts nehmen wir den längeren Heimweg über die Sandpisten (siehe letzten Beitrag). Ich mache mich über die fehlenden Verkehrsschilder lustig und postwendend folgt die Strafe. Ein Schild kündigt eine starke [Weiterlesen …]
Auf dem Rückweg nach Hause machen wir Halt in Reconquista (Provinz Santa Fe) und kommen dort bei brütender Hitze und über 38 Grad an. Schnell finden wir [Weiterlesen …]
Nach einem Aufenthalt im traumhaften Wanda (siehe früheren Beitrag) machen wir uns auf den Weg 200 km Richtung Süden in die [Weiterlesen …]
Am nächsten Morgen gibt es wirklich Media Lunas zum kleinen Frühstück (siehe auch früheren Bericht), sowie Pan Tostado, Pan casero dulce (marmelade), manteca (Butter), queso y fiambre casero, Kaffee oder Tee. Kosten: Doppelzimmer mit [Weiterlesen …]
Dann steht uns mit 580 km die längste Strecke Richtung Santa Rosa, der Hauptstadt der Provinz La Pampa, bevor (siehe auch letzten Beitrag). [Weiterlesen …]
Wir sind zu einer Hochzeit und an einen 15. Geburtstag in der Provinz Misiones (im Nord-Osten von Argentinien) eingeladen. Nachdem wir mit etwas Glück [Weiterlesen …]
Nebst den amtlichen Ausflügen widmete ich mich in diesem ersten Jahr diversen wichtigen Verbesserungsarbeiten am Haus. Noch vor den nass-kalten Wintermonaten mussten dringend [Weiterlesen …]
Gestern machte ich wieder einmal eine sensationelle Neuentdeckung. Doch zuerst kurz zur Vorgeschichte: Die Regenzeit hatte in der Nacht davor - etwa zwei Wochen früher [Weiterlesen …]
Wie üblich gehe ich auch heute kurz vor sechs Uhr mit unserer belgischen Schäferhündin Araballa laufen. Schon gestern Abend sind schwarze Wolken am Himmel aufgezogen. In der Nacht haben heftige Winde am Blechdach gerüttelt [Weiterlesen …]
Vor rund vier Tagen brach es los: ein Grossfeuer auf unserer Farm „Finca Helvetia”. Schon am Vortag hörte ich von den Arbeitern, dass weit oben [Weiterlesen …]
Bevor ich mit aktuellen Berichten aus Serbien weiterfahre, möchte ich meine neue Heimat etwas vorstellen. Es herrscht der weitverbreitete Glaube, Serbien sei [Weiterlesen …]
Notizen vom Hagel-Sonntag am 18.9.2000.
Das habe ich wirklich noch nie erlebt! Also gestern Abend, so gegen 19.30 Uhr, hat man am Himmel schon eine sehr merkwürdige Stimmung feststellen können. Auch hat man es an der gesamten Atmosphäre einfach gefühlt und geahnt: [Weiterlesen …]
Anders als der Umzug in Santa Carlas (siehe Beitrag gestern) erinnert der Karnevalsumzug von Vinarós sehr stark an jenen von Rio de Janeiro mit seinen Sambaschulen. [Weiterlesen …]
Bis Mai 2006 wohnten wir in Alcanar Playa, 6,5 km südlich von unserem jetztigen Wohnort Sant Carles de la Rapita, das am unteren Teil des Ebrodeltas in Katalonien liegt. Vom Delta - etwa in der Mitte zwischen Barcelona und Valencia - gehts 350 km bis zur spanisch-französischen Grenze. [Weiterlesen …]
Zurückblickend auf das erste Bressejahr kann ich ohne Beschönigung eine positive Bilanz ziehen. Die Auswanderung mit all seinen Vorbereitungen und späteren Formalitäten ist zwar nicht immer reibungslos verlaufen, [Weiterlesen …]
Der Sommer ist wohl die schönste Jahreszeit. Die Natur zeigt sich in allen Farben und das Leben spielt sich fast ausschliesslich draussen ab. Aber auch die schönste Zeit hat ihre Tücken, [Weiterlesen …]
Hui, es stinkt im ganzen Haus. Bei mir sind die Äpfel angebrannt. Im Keller lagerte Fallobst, das unbedingt verarbeitet werden musste. Von Verwandten bekommen wir im Herbst immer sehr gute, ungespritzte Äpfel, die wir [Weiterlesen …]
Der Wind pfeift in diesen Tagen um unser Haus und lässt mich manchmal nachts nicht schlafen. „An das musst du dich gewöhnen Vreni, der Wind geht hier sehr oft im Mühlviertel”, machte mich unser Nachbar schon [Weiterlesen …]
Mit dem neuen Auto (siehe Mañana, mañana) ist nun vieles einfacher geworden. Heute möchte ich ein wenig unser neues Umfeld beschreiben. [Weiterlesen …]