Ueli Bugmann
  2008 mit Miriam nach Argentinien ausgewandert.

(392) Vitamin B füllt den Tank

Auf dem Rückweg nach Hause machen wir Halt in Reconquista (Provinz Santa Fe) und kommen dort bei brütender Hitze und über 38 Grad an. Schnell finden wir ein Hotel.  Duschen und ein kleines Nickerchen reichen vorerst, doch da meldet sich der Hunger. Das Hotel empfiehlt uns eine gute Parilla (Restaurant mit Holzkohlengrill).

Mit der Hitze leben

Erstaunt sehen wir, dass die vorher menschenleere Stadt auf den Beinen ist, sei es beim Picknick auf der Plaza oder Sonstigem: Familien, Grosseltern, Kinder, Jugendliche, alle geniessen die jetzt etwas kühlere Luft. Am nächste Morgen brechen wir nach Medialunas y Cafe (Kaffee und Gipfeli) früh auf. Jetzt wirkt die Stadt wieder wie ausgestorben. Ein Passant führt seinen Hund spazieren, das ist schon alles.

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Nachts pulsiert das Leben, morgens und in der Hitze sind die
Strassen wie ausgestorben. Vorne ein Palo Borracho - ein
“betrunkener Baum” (Bild: Ueli Bugmann)

20 Liter auf 700 km?

Wir nehmen den Weg nach Cordoba über Tostado, entlang der Provinz Santiago del Estero. Wir suchen den ACA (siehe auch früheren Beitrag) auf. Dort kommt, was wir auch schon mal erleben mussten: Wegen Benzinknappheit gibt es pro Wagen nur 20 Liter Gasoil. Wir haben aber noch rund 700 km vor uns! Miriam macht sich auf die Suche nach heissem Wasser und verschwindet… Ich finde sie wieder im Büro des Tankstellenleiters, mit dem sie sich eifrig unterhält und Mate trinkt. Ein Zufall: Er kennt Miriam aus der Ortschaft Aristobulo del Valle, wo beide vor etwa zwanzig Jahren gearbeitet haben. Vitamin B hilft auch bei Benzinmangel. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich stelle mich noch mal in die Reihe, und auf ein Winken des Chefs sind plötzlich 70 Liter im Tank. Auch erfahren wir bei dieser Gelegenheit, dass die Route nach Cordoba durch «Piqueteros» blockiert ist - streikende Leute, die auf sich aufmerksam machen und irgendein Problem mit dem Staat haben. Dabei schaden sie der ganzen Wirtschaft, schaden den Lastwagenfahrern, welche auf eigene Rechnung arbeiten, eine Terminfracht haben (schlimmer noch, wenn sie verderbliche Waren transportieren), eine Familie zu ernähren haben usw. usw. Fragt man sie, wofür sie das machen, wissen das die Streikenden manchmal selber nicht mehr!

«Take the long way home»

Der Tankstellenchef rät uns, einen anderen Weg einzuschlagen, etwas länger aber dafür ohne Unterbruch und mit freier Fahrt. Wir brüten über unseren Landkarten. Auf der einen ist die Strecke als Asphaltpiste aufgeführt, auf der anderen als etwa 400 km lange Erdstrasse. Aber wir befolgen seinen Rat und schon bald spuren wir auf die Erdstrasse ein. Das Abenteuer beginnt… Die Strasse wird immer enger und artet in eine Sandpiste aus. Die Strassenschilder werden immer unleserlicher. Bald sind nur noch Reifenspuren zu sehen. Für die motorisierten Gauchos scheint es ein Zeitvertreib zu sein, auf die Schilder zu schiessen, um sie unleserlich zu machen. Manchmal orientieren wir uns an Strassenkreuzungen, an denen intakte Stromleitungen weiterlaufen. Manchmal sind wir auch nur schon froh, dass wir Pferdeäpfel auf dem Weg liegen sehen und so gewiss sind, dass sich also doch Menschen in der Gegend befinden müssen. Manchmal suchen wir die Himmelsrichtung nach dem Sonnenstand. Aber wir lassen uns die Laune nicht verderben. Was wollen wir denn noch mehr: blauer Himmel, Sonnenschein, brütende Hitze, die durch die Klimaanlage erträglich ist. Wir passieren kleine Dörfer, in denen kein Schwein - pardon - keine Menschenseele unterwegs ist. Hin und wieder sieht man ein paar dösende Rinder und Hunde am Strassenrand.

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Sandpiste in Santiago del Estero auf dem Weg nach Tostado
(Bild: Ueli Bugmann)

Staub schlucken

Vor uns taucht eine riesige Staubwolke auf. Sie kommt langsam näher und entpuppt sich als Tiertransporter, der vor uns mit 30 Sachen durch die Landschaft dümpelt. Wir setzen an zum Ãœberholen. Weil wir Richtung Süden fahren und der Wind von Osten kommt weht die Staubfahne auf die Spur, auf der wir überholen wollen… Plötzlich reisst der «Gaucho der Landstrasse» seinen Lastwagen nach links und wir haben freie Sicht. Wir ziehen durch und überholen ihn auf der rechten Seite. Ein klein wenig haben wir schon ein schlechtes Gewissen: Er ist beruflich unterwegs und wir fahren ferienhalber durch diese Steppe, doch jetzt muss er den Staub schlucken, denn wir aufwirbeln. Doch schneller als ca 40 km/h können auch wir nicht fahren…

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Impressionen von der Landstrasse (Bild: Ueli Bugmann)

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Weiterführende Links
(386) Reise nach Misiones

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