Im Stafetten-Blog berichten abwechselnd alle 3 Wochen Schweizerinnen und Schweizer aus dem Ausland - subjektiv, unterhaltend und authentisch.

  Hanspeter Zgraggen
  Seit 2003 mit Ehefrau Graciela in Nicaragua.

(367) Entdeckungsfahrt nach San Lucas

Gestern machte ich wieder einmal eine sensationelle Neuentdeckung. Doch zuerst kurz zur Vorgeschichte: Die Regenzeit hatte in der Nacht davor - etwa zwei Wochen früher als üblich - mit der gewohnten Heftigkeit begonnen. Gerade rechtzeitig wurde unsere Renovation des Farmdachs fertig. Nur vom Schlafhaus auf der Farm war erst ein Teil neu gedeckt. Die Arbeiter hatten aber vorsorglich nur jeweils eine Bahn der alten Ziegel entfernt und neu gesetzt, sodass der erste Regen dieses Jahr auch an diesem Gebäude keinen nennenswerten Schaden anrichtete.

Gefährliche Kaktus-Ernte aufgeschoben

Die für diesen Tag vorgesehene Wildnopal-Ernte musste ich aber absagen, da die felsigen Wege oben auf den beiden “Farmbergen” für die Arbeiten zu gefährlich gewesen wären.

So entschlossen wir uns, die seit Tagen vor uns hergeschobene Fahrt zu einer Farm in den Nachbarbergen zu starten. Da mir die Gegend unbekannt war und uns empfohlen worden war, besser ein 4×4 Fahrzeug zu nehmen, mieteten wir ein solches bei uns im Dorf. Der Besitzer bot sich als Fahrer an.
Die Strasse führte am Ausgang unseres Dorfes Somoto etwa 15 km auf einer ausgezeichneten Kopfsteinstrasse recht steil Richtung Norden - linkswinklig zur Panamerikana und in allgemeiner Richtung Pazifik. Dann bog unser Fahrer nach rechts in eine holprige und kurvenreiche Naturstrasse ein. Diese führte etwa 5 km mit stetiger Gefälländerung weiter den Berg rauf, an San Lucas vorbei und dann in dessen Berggebiet.
Schliessliche überquerten wir ein fast ausgetrocknetes Bachbett, das alle Fahrkünste des geschickten Fahrers erforderte und folgten danach für 5 km einer kleinen Strasse mit grossen, runden Steinen, die kaum einen Unterschied zu jenen im Bachbett hatten, zur Farm.

Besuch bei den Biobauern

Dort besichtigten wir die clever angelegte Wasserversorgung, die mit natürlichem Bergdruck aus einer Quelle gespeist wurde. Der Farmbesitzer und seine Frau hatten kürzlich ihre Arbeitsstelle verloren. Sie hatten als ausgebildete Agraringenieure für eine internationale Organisation gearbeitet und unter natürlichen Bedingungen auf der eigenen Farm intensiv Gemüse angebaut. Wohl auch im Zuge der weltweiten Finanzkrise wurde dieses Projekt fallen gelassen. Ich bin deshalb mit den beiden in Verhandlung, um die Möglichkeit eines ganzjährig bewässerten Moringa-Projektes aufzubauen. Doch das wird noch Einiges zu reden und vor allem zu organisieren geben.

Fast geheime Töpferkunst

Die eingangs erwähnte sensationelle Entdeckung aber machte ich später auf dem Rückweg. Der Farmarbeiter erzählte uns von einem Weiler in einem noch weiter hinten versteckten Seitental (wobei „Tal” eine schamlose Ãœbertreibung war), wo eine Gruppe Frauen einem alten Kunsthandwerk frönen sollen: Dem Keramikmodellieren. Ich war wie elektrisiert und fragte, wie wir dort hinkämen. Ein fürchterliches Gequatsche war die Folge. Fahrer und Farmarbeiter kamen sich fast in die Haare und ich verstand nur, dass sich unser Fahrer und Farmbesitzer darüber aufregte, dass ich von diesem fast geheim gehaltenen Ort erfahren habe und nun dort hinwolle. Er versuchte mir weis zu machen, dass dies mit unseren zwei Frauen und den Kindern auf der Ladefläche kaum zu schaffen sei. Ich bot an, die Kinder in die Kabine zu lassen und setzte mich an deren Stelle hinten auf die Ladefläche der offenen Camionetta. Eine Tortur erwartete mich: Die “Strasse” war tatsächlich eher ein Saumpfad und auch mit einem Geländefahrzeug kaum zu schaffen - so steil und steinig. Zwei Mal starb der Motor im steilen Gelände ab und es brauchte die ganze Fahrkunst unseres Fahrers, dass der Wagen beim Neustarten nicht rückwärts die Steigung hinunterrollte. Doch wir schafften es!

Keramik, die dem Ethnologen den Atem raubt

Was uns erwartete, entschädigte bei weitem für die Strapazen. In einer einfachen Einraumhütte, welche gleichzeitig Schlafraum, Aufenthaltsraum und Atelier war, lebten vier Frauen unterschiedlichen Alters. In einem einfachen Holzanbau war eine Ausstellung der Muster- und Meisterarbeiten untergebracht - alles leicht verstaubt. Auf Regalen standen da die herrlichsten Kunsthandwerke in der Art der alten Indianer. Gebrauchsgegenstände wie Töpfe, Krüge, Ritualfiguren und Wanddekorationen.
Einen kleinen Ausschnitt habe ich fotografiert:

diabolo-und-auto.jpg deckeltopf-und-puppe-alt.jpg

Auto, Diabolo, Deckeltopf, Puppe

maennerkopf-und-gestellauschnitt.jpg

Kunterbunter Mix von traditionellen indianischen Keramiken
(Bilder: Hanspeter Zgraggen)

Natürlich wollte ich sofort mindestens einige der herrlichen Gegenstände kaufen - doch die Frauen war nicht dazu zu bewegen!

 die-kuenstlerinnen.jpg

Die vier Kunsthandwerkerinnen (Bild: Hanspeter Zgraggen)

Man erklärte uns, dass alle gezeigten Figuren zum Teil schon seit Jahren da ausgestellt seien und zum Teil noch von Vorfahren stammten. Sie wollten und dürften diese nicht verkaufen - nur im Auftrag Neue herstellen. Obwohl mir die Haltung etwas eigenartig vorkam, willigte ich ein und gab eine so grosse Bestellung in Auftrag, dass die vier sichtlich aufblühten. Wir erfuhren, dass sie oft in der Vergangenheit gute Bestellungen bekommen hätten von Besuchern auch von weit her. Fast immer seien sie dann aber auf der Ware sitzen geblieben.

graciela-mit-baum-vor-gestell.jpg

Noch etwas skeptisch über den Deal: Ehefrau Graciela (Bild: Hanspeter Zgraggen)

Darum vereinbarten wir, dass ich eine Anzahlung für etwa einen Fünftel der Gesamtbestellung leisten und in zwei Wochen den ersten Teil abholen und dann einen weiteren Anteil voraus zahlen würde. Ich willigte in den hier unüblichen Handel ein. Sehr zum Missfallen meiner nicaraguanischen Frau, welche in solchen Sachen sehr viel vorsichtiger ist als ich.
Nun - in meinem eigenen Blog und auf meiner Webseite werde ich berichten, was aus dem Handel geworden ist. Ich werde versuchen, einen Teil der Artikel über das Internet anzubieten. Auch eine Vernissage in der Schweiz tanzt bereits in meinem Hinterkopf - vielleicht die Gelegenheit, die alte Heimat doch wieder einmal besuchen zu können…

Schluss für heut’

Die “Arbeit” in der Stafette hat mir sehr viel Spass gemacht - obwohl ich die Beiträge oft in aller Eile und zwischen den vielen anderen Aktivitäten schreiben musste. Vieles wäre noch zu nennen. So fehlt unter anderem ein Beitrag über meine Wildbienen. Vielleicht bekomme ich ein anderes Mal Gelegenheit, hier bei Careguide Gast sein zu dürfen. Ich übergebe den Stab darum gerne an Elisabeth Hilfiker aus Apulien - der ich genau so viel Freude an der Stafette wünsche.

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Weiterführende Links 

Wildnopal
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