Annabeth Hinderling
  Mit Ehemann Jürg nach Südkalifornien (USA) ausgewandert.

(403) Elf Wochen Sommerferien

“In three words I can sum up everything I’ve learned about life: it goes on.” (Robert Frost). “In drei Worten kann ich zusammenfassen, was ich übers Leben gelernt habe: Es geht weiter!” sagte der bekannte amerikanische Schriftsteller Robert Frost.

Summertime - and the living is easy

Bei perfektem Klima genießt unsere Familie elf Wochen lang gemeinsam den Sommer hier in San Diego. Die Türen und Fenster sind tagsüber weit offen und ein angenehmes Lüftchen erfrischt den Raum! Dies ist seit langem wieder einmal ein Sommer, den wir die ganze Zeit hier zu Hause in San Diego verbringen, und wir denken, dies in den nächsten Jahren wieder so zu halten. Zu Hause ist es einfach am schönsten. Heute zum Beispiel, während ich hier schreibe, höre ich im Hintergrund ein herrliches Gekicher von unserem 14-jährigen Sohn Nicolas mit einem seiner vielen Freunde. “Nico”s Freunde und auch Freundinnen haben wir alle gerne bei uns zu Hause und sie sind willkommen. Während des langen Sommers haben die Jungen Zeit, sich ohne den Druck von Abfahrtszeiten, Hausaufgaben und sonstigen Einschränkungen zu vergnügen. Ich bin dankbar, zu Hause sein zu können und somit immer einigermaßen zu wissen, was die Teenagers zu unternehmen gedenken. Meine mit unserer 25-jährigen Tochter und unserem 23-jährigen Sohn gewonnene Erfahrung war, wie wichtig es ist, während der Pubertät zu wissen, wo die Jugendlichen sind und was sie tun. Die Zeit für gemeinsame Gespräche ist auch sehr wertvoll. Wenn ich jetzt so über diese Ferien zurückblicke, kommen mir zwei Höhepunkte in den Sinn, von denen ich erzählen will.

Nationalfeier an der Quelle des San Diego Rivers

Am 4. Juli, am Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten, entschieden wir uns, nicht an den überbevölkerten Strand zu gehen, sondern in das Landesinnere zu fahren. Wir fuhren etwa zwei Stunden zum einem grösseren Dorf, einst eine alte Wild-West- und Goldgräberstadt, genannt “Julian”. In jener Gegend brach die große Feuersbrunst aus, die im Oktober 2007 Hunderte von Häusern und ganze Landstriche in Schutt und Asche legte. In wenigen Tagen legte sie über 50 km zurück gelangte bis fast bis an die Küste! In jenem Herbst wurden weite Teile Südkaliforniens zum Katastrophengebiet erklärt.

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Gemeinsame Sommerferien mit Nico -
danach geht’s
auf die High School (Bild: Annabeth Hinderling)

Wir entschieden uns für eine Wanderung zu den Anfängen des „San Diego River”, der in San Diego ins Meer mündet. Dort in den Hügeln, wo der Fluß entspringt, fließen einige lokale Bäche zusammen. Einer der grösseren ist der “Cedar Creek”, dessen populärer Wasserfall unser Tagesziel war. Nach einer 5 km Fahrt auf einer ruppigen ungeteerten Naturstrasse ließen wir das Auto stehen und es ging zu Fuß eineinhalb Stunden auf einem steilen Weg bergab. Es war ein extrem heißer und trockener Tag mit Temperaturen weit über 30 Grad C.

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Trocken und heiss, der Weg zum Cedar Creek
(Bild: Annabeth Hinderling)

Alles fliesst - auch in der trockenen Jahreszeit

Im Unterschied zu den Aufnahmen auf der Homepage zum Wasserfall (siehe Link oben) war das Wasservolumen im Juli natürlich um einiges geringer. Aber es floß genug, um am Fuß des Falls das Wasserbecken zu füllen, an einigen Stellen bis zu vier Meter tief. Als wir dieses “Cedar Creek”-Schwimmbad erblickten (siehe unten), blieb uns nichts anders übrig, als uns sofort abzukühlen. Wir planschten und schwammen wohl über eine Stunde lang im herrlichen Naß. Mit uns waren vielleicht noch sechs andere Wanderer am Wasserfall, die den heißen und strengen Marsch auch nicht gescheut hatten.

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Wohlverdiente Kühlung von aussen und innen
(Bild: Annabeth Hinderling)

Der Ausstieg aus dem baum- und schattenlosen Canyon war brutal heiß, es war etwa 13:30 und die Sonne stand praktisch im Zenit. Wir hatten wohl mit Jürgs Wasserfilter unsere Flaschen aus dem Creek wieder aufgefüllt, jedoch wurde mir beim Aufstieg ein wenig zum Verhängnis, daß ich bei der extremen Temperatur nicht genügend Wasser trank. Während der Rückkehr nach San Diego drückten mich starke Kopfschmerzen. Das nächste Mal werde ich bestimmt genügend Wasser vor, während und nach der Wanderung zu mir zu nehmen.

Einblick in amerikanische Freiwilligenarbeit

Ein zweiter Höhepunkt war die Woche, während der Nicolas jeden Morgen bei einer lokalen Organisation, dem “Kids Korps”, beschäftigt war. Jeden Morgen traf sich Nicolas mit seiner Gruppe, wo er zwei junge Knaben zu betreuen hatte. Jeden Tag stand eine neue Aktivität auf dem Plan. Am Montag früh trafen sich die Teenagers für das “Counceler Training”. Dort wurden ihnen Hinweise gegeben, wie den jüngeren Kindern zu helfen sei und wie sie sie zu betreuen hätten. Und schon bald trafen die jüngeren Kinder im Camp ein. Mit einem gelben Schulbus wurden alle zu einer Lagoon (einer brackigen Meerwasserlagune) gefahren, wo sie beim Aufräumen, Ausreißen und Entsorgen von leicht entflammbarer Vegetation halfen. Dies ist eine vorsorgliche Maßnahme, um die Brandgefahr während der traditionellen Herbstfeuersaison zu mildern.

Am Dienstag hiess es, Mahlzeiten für obdachlose Leute zusammen zu stellen. Da das Klima hier in San Diego so mild ist, ist es ein Anziehungspunkt für Leute, die wegen einem Unglück und/oder aus Ungeschick Heim und Arbeit verloren haben und gibt es viele Männer, Frauen und Kinder, die auf der Strasse leben.

Am Mittwoch standen Therapiehunde auf dem Programm. Dabei lernten sie Hundehalter und ihre Tiere kennen. Das war ein besonderer Tag für Tierliebhaber. Am Donnerstag wurden die Jungen an den Strand gefahren, wo sie miteinander Plastikflaschen, Papier oder sonstigen Abfall aufräumten. Am Freitag fuhr der Bus die ganz Gruppe zu einem Altersheim, wo man sich mit den Bewohnern traf, sich kennenlernte, plauderte und zusammen Bingo spielte. Vielen Jungen fehlt der regelmässige Kontakt mit alten Leuten oder den eigenen Großeltern. Man wohnt oft weit entfernt voneinander und die herkömmlichen Familienstrukturen existieren dann nur spärlich. Anderseits fehlt es oft auch den Älteren in einem Heim an Kontakt zu Familien oder Mitmenschen, v.a. jungen Leuten.

Bereichernde Erfahrungen fürs Leben

Die Woche wurde mit einem Besuch beim “Head-Start”-Programm der Neighborhood House Association abgeschlossen. Es war das, was Nicolas am meisten Eindruck machte. Kids Korps besuchte einen Hort, der es mexikanischen Kindern aus Familien mit niedrigen Einkommen erlaubt, den Sommer sinnvoll zu erleben. Diese Kinder werden betreut, es wird mit ihnen gesungen, gespielt und sie erhalten jeden Tag eine gesunde Mahlzeit - für viele zu Hause keine Selbstverständlichkeit. Wenn Nicolas von diesem Erlebnis erzählt, leuchten seine Augen. Er hofft, mehr Arbeit dieser Art leisten zu können. Auch für ihn steht die Zeit nicht still, und ich glaube stark, daß jedes Erlebnis und jede Erfahrung im Dienst des Mitmenschen oder der Umwelt sein Leben für die Zukunft bereichern wird.

Jetzt haben wir noch drei Wochen Ferien und alle sind entspannt, aber wir freuen uns alle wieder auf etwas mehr Struktur im Alltag. Für Nicolas beginnt Ende August die vier Jahre dauernde “High School”-Schulzeit. An deren Ende wird er sich für den Eintritt in ein College entscheiden, ausser er schlägt einen anderen Weg ein. Dann wird sich auch unsere Aufgabe als Eltern verändern. Daher genießen wir die Zeit mit unserem “letzten” Teenager, solange sie uns noch geschenkt ist. Es steht ja kein Tag still! Oder wie Robert Frost einst gesagt hat: Life goes on!

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Weiterführende Links 
Feuersbrünste in Südkalifornien
 
Cedar Creek Falls
 
Kids Korps
 
Therapiehundeorganisation “Paws’itive Teams
“ 
Neighborhood House Association San Diego