Catherine Beuret
  2005 mit vier Katzen ins Burgund (Charolais) ausgewandert.

(426) Immer schön flexibel bleiben

Am 15. Januar 2005, die Tinte auf dem Kaufvertrag ist kaum trocken, treffe ich meinen Architekten und seinen bauführenden Freund im noch unrenovierten Haus. Es ist eiskalt und düster. Nach einer Stunde Besprechung, meine Füsse sind inzwischen tiefgefroren, dislozieren wir ins benachbarte Restaurant.

Ein bekanntes Phänomen: Stromausfall

Gerade nachdem der Kaffee und die Schokolade serviert sind, wird es stockfinster. Stromausfall. Das gäbe es hier häufig. Das könne Stunden dauern und in den Weilern draussen sogar Tage. Die Wirtin hat alles im Griff. Die Kerzen stehen schon überall und die Zündhölzer liegen auch griffbereit. Nach drei Stunden, der Strom lässt immer noch auf sich warten und die Herren sind abgereist, bereitet mir der Koch eine Omelette auf dem Gasherd zu. Da ich in der Schweiz praktisch nie einen Stromausfall erlebt hatte, erkenne ich erst jetzt, was da so fehlt. Keine Heizung mehr, die Espresso-Maschine legt ihre Funktion nieder, kein Telefon, kein Computer, kein Kochherd, kein Frigo, kein Tiefkühler, keine Waschmaschine, kein Tumbler ist mehr in Betrieb. Daher steht heute im Haus auch ein Holzofen. In jedem Raum befinden sich Kerzen und neben dem Kerzenhalter Zündhölzer. Die Taschenlampe ist immer in meiner Handtasche und ich bin nie ohne Handtasche. Schwankt wieder einmal der Strom, stürze ich zur Espressomaschine, um mir vor dem grossen Gau einen letzten Kaffee zu genehmigen. Zum Telefonieren habe ich mein Schweizer Handy behalten. Kostet zwar was, aber die Funklöcher der diversen französischen Anbieter weiss das Handy (Roaming!) zu umgehen. Neben dem Strom war auch schon das Wasser weg. Die Gemeinde bastelte am Verteiler, das konnte der werte Bezüger selbst herausfinden. Zum Glück stand ich nicht gerade eingeseift unter der Dusche.

Sturmerprobt

Der erste Sturm - wir sind hier nicht in den geschützten Bergtälern - pfiff bedrohlich durch das Haus. Meine Katzen suchten auf dem Bauch kriechend unter den Betten und in den Schränken Obdach. Anderntags durfte der Schreiner kommen und die vergessenen Fugen dichten. Ein ander Mal, ich kehrte von einem Tagesausflug nach Bern zurück, fand ich die Toilette überschwemmt. Auf der Toilette, ich musste eben dringend, ergoss sich das Wasser aus der Lampenfassung auf mein Haupt. Der Dachdecker eilte zuerst mir zu Hilfe, eben ein Gentleman, und fand eine Fuite (Leck) auf dem Dach. Da wäre ich am liebsten geflüchtet (prendre une fuite). Im Treppenhaus tropfte es auch. Also wurde provisorisch abgedichtet, und anderntags kaufte ich mehrere grosse Blachen. Die sind ein gängiges Angebot in den Baumärkten. Das Provisorium hat glücklicherweise drei Jahre, bis zur Dachrenovation, gehalten.

Der Gemeindepräsident beliebt zu überraschen

Der Gemeindepräsident ist des öftern Urheber einer Überraschung. Eines Tages stand ein grosser Pneukran in meiner Einfahrt.

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Lieber die Axt im Haus als den Pneukran im Garten
(Bild: Catherine Beuret)

Auch dem Nachbarhaus, eine Neuaquisition der Gemeinde, fehlte ein anständiges Dach. Dachdecker sollten für Abhilfe sorgen. Leider verfügt das Nachbarhaus über keinen Umschwung. So hatte ich Gelegenheit mich freundlich zu zeigen und während mehreren Wochen mein Auto auf dem Kirchplatz zu parkieren.

Was kostet ein kleiner Stall?

Dann musste die Gemeinde, Eigentümerin des benachbarten Restaurants, das Restaurant sanieren. Eines schönen Tages klingelte es. Der Gemeindepräsident stand sonnig lächelnd vor der Tür. In der Hand hielt er ein Dokument. Er habe gedacht, er bringe mir das neue Gemeindebulletin vorbei. Wie es mir so gehe. Nach dem es mir gut ging, fragte ich ihn, wie es mit der Sanierung des Restaurant so gehe. Ja eben, die Küche sei viel zu klein und es gebe keinen zusätzlichen Raum zum Ausbauen. Das fand ich ebenfalls traurig. Er möchte mich fragen, ob ich eventuell meinen kleinen, ans Restaurant angrenzenden Stall verkaufen würde?

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Der kleine Stall (Bild: Catherine Beuret)

Darüber kann man sicher sprechen, Was er sich als Preis denn so vorstelle? Ich als Ausländerin habe nämlich keine Ahnung, was da anständig sei. Ja, er habe auch keine Ahnung. Schlitzohr! Wir vereinbaren, dass ich mich bei meinem Agenten und einer Notarin erkundige. Originalton der Notarin, das sei nicht mehr viel wert. Sie gebe mir eine Höchstschätzung, damit der Gemeindepräsident noch märten (feilschen) könne. Die Notarin, so hörte ich später, arbeitet auch für die Gemeinde. Dann ging ich in die Bäckerei und fragte um Rat. Die Bäckersfrau, graue Eminenz, hat auch absolut keine Ahnung, ob der geschätzte Preis anständig ist. Anschliessend fragte ich die Mutter des Gemeindepräsidenten um Rat. Sie kann auch nicht helfen. So meldete ich den Maximalpreis als Forderung.

Gekauft

Dann hörte ich einige Wochen nichts. Bei einem Spaziergang gratulierte mir ein werter Mitbewohner zum erfolgreichen Kaufbeschluss anlässlich der letzten Sitzung des Gemeinderates. Das stehe im neuen Bulletin. Das wurde mir nicht mehr vorbeigebracht. Es wunderte auch niemanden mehr, am wenigsten mich, als erneut schwere Maschinen die Durchfahrt blockierten. Schon eine halbe Stunde später kam der Gemeindepräsident und vermeldete, der alte Anbau am Restaurant werde abgebrochen.

Derselbe Gemeindepräsident zeigte mir mehrere Stunden die alten Bücher von Marizy. Er stellte mir die Besitzergeschichte meines Hauses zusammen. Als Krönung kriegte ich eine rare Fotografie der ehemaligen romanischen Kirche von Marizy geschenkt.

Fazit: Flexibilität ist angesagt.

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