Annabeth Hinderling
  Mit Ehemann Jürg nach Südkalifornien (USA) ausgewandert.

(402) Hispanisch lieben lernen

“A man doesn’t learn to understand anything unless he loves it…”. Man lernt nichts kennen, außer was man liebt. Mit diesen Worten beendete die Yoga-Instruktorin die Lektion vom letzten Mittwoch. Mein Mann begleitete mich, und es war schön, gemeinsam diese Stunde zu genießen. Die erwähnten Worte, die Goethe zugeschrieben werden, haben meine Gedanken nicht verlassen, und so will ich mich darin ein wenig vertiefen. Ich möchte gerne ein Beispiel von jemandem geben (in diesem Fall von meinem Ehemann), der wirklich gelernt hat zu verstehen, was er liebt.

Hindernisse auf dem Weg zur (hi-)spanischen Kultur

Im Frühjahr 2006 hatte Jürg angefangen, die Sprache zu lernen, die er schon immer sprechen, schreiben und lesen wollte. Ich unterstütze ihn natürlich auch sehr von meiner Seite, da Spanisch eine meiner Lieblingssprachen ist und mir in meiner Kindheit in Bolivien in die Wiege gelegt worden war. Wir überlegten uns, wie diese Sprache am besten erlernt werden könnte. Wenn man sich ganz mit einer Sprache und ihrer Kultur umgeben kann, ist das Aufnehmen von Ton, Farbe, Fluß und Klang einer Sprache viel tiefer und intuitiver. So erkundigten wir uns nach der Möglichkeit, für sechs Wochen nach Oaxaca im Süden Mexikos bei einer Familie zu wohnen und tagsüber Sprachunterricht zu nehmen. Durch eine lokale mexikanische Freundin fanden wir eine Familie, die ihn offenherzig einlud. Doch genau in diesem Moment brach im Staat Oaxaca und v.a. in der Stadt selbst eine politische Krise aus. Fünf Monate dauerten große Protestbewegungen gegen die Regierung in einem Konflikt zwischen dem Gouverneur und verschiedenen Gewerkschaften, wobei v.a. die Lehrergewerkschaft eine politische Führungsrolle in diesen Protestaktionen übernahm, die bald in einen unschönen und gewalttätigen Strassenkrieg ausarteten, mit Toten und enormen Sachschäden an der historischen ehrwürdigen Stadtarchitektur, Verlusten im Tourismusgewerbe und einem allgemeinen Imageverlust für die Region.

Spanisch lernen “am Mann” und mit Gesang

Diese unerfreulichen Umstände hätten das Erlebnis des Lernens einer Sprache und der lokalen Kultur natürlich sehr geschmälert. Darum suchten wir nach einer anderen Möglichkeit. Unsere Tochter hatte 2005 während eines Auslandsememsters ein halbes Jahr in Buenos Aires verbracht. So dachten wir, dass es eine gute Idee wäre, bei ihrer damaligen Gastfamilie anzuknüpfen, was dann auch die Lösung war. Sofort meldete sich der Gastvater, Ignacio Arnaudo, und überraschte uns mit Ideen und Vorschlägen, die den erträumten sechswöchigen Aufenthalt möglich machten.
So packten wir Jürgs Koffer für einen Sprachaufenthalt in Buenos Aires, Argentinien. Mit dem Lied “Gracias al la Vida” verabschiedeten wir uns voneinander für zwei Monate.

jh.jpg

 Spanisch aus erster Hand. Jürg (links) und
Ignacio (Bild: Annabeth Hinderling)

Dieses Bild zeigt Jürg und Ignacio beim gemeinsamen Besuch eines Fußballspiels im Stadion “La Bombonera” der bekannten Mannschaft aus Buenos Aires, “Boca Juniors”.

Der Aufenthalt in Argentinien war für Jürg der Anfang der Entdeckung einer neuen Welt. Neue Freundschaften entstanden und das tiefere Verständnis für die hispanische Kultur wurde erweckt.

Interesse an der Sprache ist nachhaltig

Jetzt drei Jahre später beherrscht mein Mann diese wunderschöne Sprache. Dank Grammatikbüchern, Zeitungen in spanisch, spanisch-sprachigem Radio als konstantem Hintergrund, Lektüre von Gedichten, Novellen und dem Interesse, jedes unbekannte Wort nachzuschlagen, ist er an einem Punkt angelangt, wo wir uns gemeinsam bestens in Spanisch unterhalten können. Diesen Sommer gab er sogar einer College-Studentin in San Diego etwas Nachhilfe in Spanisch.

Dies spornt mich an, meine eigenen Spanischkenntnisse zu pflegen und auch weiter zu verfeinern. Was uns musikalisch gemeinsam am meisten ans Herz gewachsen ist, sind die Kompositionen der mexikanischen “Latin Rock”-Gruppe “Maná”. Die tiefgründige Lyrik ihrer Texte und ihre genial einfachen Melodien haben uns zu “Maná”-Fans gemacht und wir sammeln alle ihre CDs. Oft singen wir dazu gemeinsam und der starke Rhythmus von “Maná”-Musik lädt zum Tanzen ein. Hier ein Beispiel eines unserer Lieblingslieder, “En el muelle de San Blas“, das die Treue einer Frau besingt, die die Rückkehr ihres auf hoher See segelnden Liebsten solange vergeblich beim Dock erwartet, bis sie am Schluß ins Holz einwächst und letztendlich im Irrenhaus landet.

Nun hoffe ich, bald einmal mit meinem Mann nach Bolivien zu reisen und ihm das Land meiner Kindheit zu zeigen. Das wird so geschehen, wenn es sein soll, oder wie man fatalistisch auf Spanisch sagt: “Primero Dios” (” So Gott will”).

♦

Weiterführende Links  
Krise in Oaxaca 2006  
Gracias al la Vida

Hispanics 
En el muelle de San Blas