Heinz Tock
  Seit 1997 mit Ehefrau Marta in British Columbia (CND)

(298) Hilf dir selbst

(In dieser Stafette wirft der nach British Columbia (CAN) ausgewanderte Heinz Tock einen Blick zurück. Die Beiträge “Per Taxi auf Zeitreise durch die Autostadt Biel” hat Heinz Tock als junger Student und Taxifahrer aufgezeichnet).

Risikomanagement

Meine Handlungsweise in der folgenden Episode wirkt vielleicht etwas drastisch, doch muss man sich das System in Erinnerung rufen, nach welchem wir bezahlt werden (siehe auch “Blindfahrt“). Weil wir den Betrag für die halben Kilometer und die Grundgebühr auch dann abliefern müssen, wenn es zu keiner Fahrt kommt, tragen wir Fahrer die grossen Verluste. Herr Hassler nennt es “Berufsrisiko” und hat Verständnis dafür, dass wir äusserst kritisch sind, wenn wir zu einem weiter entfernten Ort gebeten werden. Der Anrufer muss in diesem Fall seinen Namen und seine Adresse angeben. Bei Anrufen aus öffentlichen Telefonkabinen, insbesondere nachts, weigern wir uns zu fahren.

Ein schöner Herbsttag. Ich habe heute eine Tagschicht übernommen. Die Berufstäxeler überlassen uns Aushilfen gerne diese eher ruhige Schicht. Dass ich dabei am “Tech” gelegentlich den Unterricht “schwänze”, ist damals noch ein Problem, aber lösbar.

Mit Vernunft fahren

Es läutet und ich werde zur Telefonkabine bei der Busstation oben am Waldrain in Madretsch bestellt.
Ich solle mich beeilen, sagt der Sprecher, er müsse dringend auf den Zug.
Es gibt damals noch keine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung in Biel und so fährt man gemäss den gegebenen Strassen-, Sicht- und Verkehrsverhältnissen. Einen selbstverschuldeten Unfall kann man sich bei Herrn Hassler nicht leisten. Das macht er jedem bei der Anstellung klar.

Als ich den Waldrain hinauf fahre, kommt mir der Bus entgegen. Oben bei der Telefonkabine steht niemand.
Ich brauche Sherlock Holmes nicht, um eine Schlussfolgerung zu ziehen: Der Anrufer fährt mit diesem Bus zum Bahnhof.

Mit Unvernunft siegen

Schon wieder eine Blindfahrt die mich mehr als zwei Stunden Arbeit kostet.
Ich bin wütend! Und ich versuche, zu meinem Geld zu kommen.

So rasch, wie nur immer möglich, fahre ich an den Bahnhof zurück, parke das Taxi und renne hinüber zur Bus-Haltestelle, wo soeben der “Madretscher” hält.
Unter den wenigen aussteigenden Personen befindet sich ein Mann in Anzug und Krawatte, der mit seinem Aktenkoffer im Eilschritt dem Bahnhof zustrebt.
Ich renne dem Mann nach, trete vor ihn hin, packe ihn an der Krawatte und herrsche ihn an: “Gimer sofort a Füfliber!” (Gib mir sofort einen Fünfliber!).
Der Mann begehrt auf und will sich losreissen. Er sagt auch etwas von Polizei.

Aber schon kommen ein paar Kollegen, welche den Vorfall beobachtet hatten, hinzu. Ich sage dem Mann auf den Kopf zu, dass er mich “gesprengt” habe, und ich mein Geld wolle. In Anbetracht der Ãœbermacht gibt der Mann den Sachverhalt zu, und ich komme zu meinem Geld.
Ein Trinkgeld hat er aber nicht gegeben.
Er hat wohl seinen Zug noch erreicht.

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