Christa Morf
  Seit 1998 auf Hawaii (USA)

(241) Sprechen Sie Pidgin?

Als ich 1998 hier ankam, vermisste ich den Kontakt mit dem “hawaiischen” Teil der Bevölkerung. Alle meine Bekannten waren entweder Leute vom Festland der USA oder aus anderen Ländern der ganzen Welt, aber fast keine HawaiierInnen. Die einheimische Bevölkerung ist ein Spiegel der Geschichte dieses Inselstaates.

Arbeiter sind hergeholt worden aus Japan, um auf den Zuckerplantagen zu arbeiten; aus China kamen Männer, um beim Bau der Wasserkanäle zu helfen, Arbeitssuchende aus den Philipinen und portugiesische Seeleute hinterliessen ihre Spuren. Alle diese Einflüsse haben sich durch Heirat mit Einheimischen vermischt und sind heute am Namen erkennbar.

Menschenraten

In der äusseren Erscheinung kann ich die Einflüsse vielleicht erraten. Diese Menschen haben ihre eigenen Kreise, ihre eigenen Kirchen, ihre eigenen Läden, ihre eigene Sprache, ihre eigenen politischen KandidatInnen und zum Teil ihre eigenen Grundschulen. Nur 5% der hawaiische Bevölkerung ist “rein hawaiisch”. Der Begriff “rein” ist dieser Kultur völlig fremd und hat höchstens politische Relevanz, wenn es um Bodenrechte geht oder darum, ob mein Kind in eine der sehr gesuchten Schulen gehen darf, in die nur Kinder gehen dürfen, die einen hawaiischen Stammbaum nachweisen können.

Kontakte knüpfen heute

Heute, zehn Jahre später, verstehe ich besser, was dabei hilft, diese Kontakte zu knüpfen. Ich könnte beispielsweise in der Erwachsenenbildungsorganisation die alte Tradition des Hulatanzes lernen, ich könnte Hawaiisch in einem Sprachkurs lernen, ich könnte einen der Kurse belegen, in denen die Geschichte des alten Hawaiis mit seinen Traditionen übermittelt wird oder die Pflanzenwelt eingeführt wird. Was heute so selbstverständlich klingt, war übrigens bis 1959 nicht so leicht. In dem Jahr wurde Hawaii ein Staat der USA, zusammen mit Alaska. Die hawaiische Sprache wurde in den Schulen nicht gelehrt, Traditionen waren am Verschwinden. Durch die Schaffung eines eigenen Staates wurden die alten Traditionen wieder ans Tageslicht gebracht. Es war und ist immer noch ein Prozess des Wiederfindens der eigenen Kultur für die hawaiische Bevölkerung. Verständlicherweise gibt es unter ihr Ressentiments gegenüber der “weissen” Kultur im allgemeinen.

Hawaiisches Pidgin braucht Energie und Zeit

In Kontakt kommen mit Hawaiianern heisst, ohne vorgefasste Meinungen sich einlassen auf ihre Lebensweise. Mein Handicap ist ziemlich happig: Ich habe Schwierigkeiten, das hiesige “Pidgin-Englisch” zu verstehen, welches gespickt ist mit hawaiischen Ausdrücken. Ausserdem sprechen sie dies unglaublich schnell. Ich habe mir selber zugestehen müssen, dass ich noch nicht bereit bin, meine Energie und Zeit in das Kontaktknüpfen zu investieren. Zu sehr liegt mir meine eigene Arbeit auf dem Gebiet der “Gewaltfreien Kommunikation” am Herzen. Darüber werde ich in einem gesonderten Blog schreiben.

Wirtschaftliches oder kulturelles Überlebens - was drängt wen?

Alle privaten Kontakte pflegen wir mit Leuten aus dem gleichen Kulturkreis. Einige von ihnen sind sehr engagiert im Hulatanz, in der Pflege der einheimischen Pflanzenwelt, in der Unterstützung des Meereslebens und auf der politischen Ebene. Manchmal scheint es, als ob es mehr “Weisse” gibt, die das Ãœberleben der alten Traditionen unterstützen. Die einheimische Bevölkerung ist mehr beschäftigt mit Fragen des wirtschaftlichen Ãœberlebens.

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Weiterführende Links
Hawaii Creole English

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