Heinz Tock
  Seit 1997 mit Ehefrau Marta in British Columbia (CND)

(119) Da ist selten der Bär los

Ja, was machst du denn den ganzen Tag? Ich versuchte dich x-mal telefonisch zu erreichen! So etwa tönt es von Bekannten aus der Schweiz. Was macht ein Rentner im März im Regenwald Kanadas? Also hier “Ein Tag im Leben des …” auf kanadisch?

Ein Tag im Leben des H.T.

Da kanadische Häuser weder Fensterläden noch Aussenstoren kennen, wird es trotz des Vorhanges jetzt schon wieder früh hell. Also stehe ich etwa um 7 Uhr auf und mache Morgenessen. Marta schläft gelegentlich etwas länger, dann stelle ich den Tee warm.
Als nächstes rufe ich die eingegangenen e-Mails ab und lese am Internet die neuesten Gräuelstories aus dem BLICK.
So gegen acht kommt der Kimbo aus seiner Schlafkiste und will spazieren gehen. Wir fahren meistens in einen Waldpark, und ich kann am Stock etwa eine Stunde gehen.
Dann verlade ich Kimbo und wir fahren “in die Berge”. Das Küstengebirge beginnt hinter unserem Haus und dank der von der Holzindustrie gebauten Naturstrassen kann man so um die 20 Kilometer von der Küste weg fahren.

Ohne Handyempfang hilft nur noch das Funkgerät

Ich kann nie sagen, ich sei nicht gewarnt worden. Es ist absolute Wildnis! Die Kanadier sagen mir immer wieder, dass es gefährlich sei, allein in die Berge zu fahren. Schon nach wenigen Kilometern ist auf dem Handy kein Empfang mehr. Allerdings habe ich als Radioamateur mein Funkgerät dabei und hoffe, dass ein “Mayday” mich im Notfall retten würde.
Wenn ich vom Auto weggehe, habe ich den GPS dabei, der mir notfalls den Weg zum Auto zurück zeigt. Aber “durch den Wald” kann man nirgendwo gehen. Die Nadelwälder sind so dicht, dass ein Mensch nicht vorwärts kommen kann. Die Hirsche bleiben auf ihren Wechseln, die Rehe hüpfen von Baumstamm zu Baumstamm. Wie die Schwarzbären sich in diesem Dickicht umgestürzter, mehr oder weniger verrotteter Bäume vorwärts bewegen, ist mir immer noch ein Rätsel. Und die Biber, Otter, Waschbären, Luchse, Wildkatzen, Pumas, was ist mit denen? In den zehn Jahren sah ich eine Wildkatze. Luchse hat es an der Küste wenige und einem Puma zu begegnen, wünscht sich niemand. Glücklicherweise sind diese Katzen eher nachtaktiv.

Begegnungen mit echten Bären

Es ist schon aufregend genug, plötzlich einer Bärin mit einem Jungen gegenüber zu stehen.
Dieses Erlebnis hatte ich schon dreimal und einmal war es ein griesgrämiger alter Bär. Nie ist etwas passiert. Ich spreche sofort mit den Bären und bewege mich langsam rückwärts ohne dem Tier in die Augen zu schauen. Aber die rund 100 Menschen, die gemäss der Statistik in ebenso vielen Jahren bei Zusammenstössen mit “Barribals” in Kanada umkamen, machen deutlich, dass auch dieser “Clown der Wälder” kein Teddybär ist. Grizzlis haben wir in dieser Gegend keine, da sieht ja die Statistik ganz anders aus. Und Biber, Otter und Waschbären sind für Menschen nicht gefährlich. Giftschlangen gibt es an der Küste keine.

Wo sich Kojoten und Wölfe gute Nacht sagen

Mein kleiner Hund, der sich überall in den Büschen herumtreibt, hatte nun schon sieben Jahre Glück! Kaum ein Stadthund kommt in einen solchen Genuss von Freiraum. Und wie Erich Kästner sagte,”ist Leben immer lebensgefährlich”. Die vielen Kojoten, die sich ums Haus und im Dorf herumtrieben sind plötzlich verschwunden. Der Wildhüter meldet ein Rudel von vier Wölfen, die deren Gebiet erobert hätten. Wölfe greifen Menschen nur im Märchen an, sagt man. Und Kimbo muss halt weiterhin Glück haben.

Abendprogramm mit Meeresrauschen

Zum Mittagessen sind wir jeweils wieder zuhause. Dann lese ich, oder arbeite am Computer.
Nach dem Nachtessen mache ich noch einen Spaziergang mit dem Hund am Meer. Scheint kein Mond, so ist es stockdunkel. Aber ich treffe gelegentlich Leute, die das kleine Abenteuer ebenso lieben. Etwas Fernsehen, wenn einer der rund 50 Kanäle irgend etwas ausser dem üblichen “Mist” sendet, noch etwas lesen, hauptsächlich Sachbücher, und dann ab in die Heia.

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Kommentare

  1. Ingrid Stocker

    24.03.2008 11:36

    Lieber Herr Tock, ganz schön mutig, wie Sie die Bären begegnen. Hat man Ihnen erzählt, dass man sich bei einer Bärenbegegnung so Verhalten soll? Wir waren mal drei Wochen in den Ferien mit dem Auto durch Alberta und British Columbia und haben die letzten Ferientage in Hope verbracht. Dort wollten wir eines Tages eine Wanderung durch die Natur machen. Als wir auf einem Waldweg soviele Beeren am Rande sahen, wurde es uns murmelig. Wir wussten, dass Bären ja gerne Beeren essen und hatten Angst dort einen zu begegnen. Deshalb sind wir rechtsumkehrt zur Zivilisation zurück. Wir erzählten den Vorfall einem Mitarbeiter vom Motel. Der war erstaunt über unser Verhalten. Er hatte mal bei einer Begegnung den Bären angeschrieen und mit den Armen herumgetollt. Da ist der Bär davon gelaufen. Ich glaube aber, dass Ihre Methode besser ist. Und Hunde scheuchen Bären doch auch weg oder?