Eduard Meister
  2003 mit Ehefrau Milka nach Zentralserbien (SRB) ausgewandert.

(350) Mika Buđa, das Original

Mika Buđa (Mika Budscha, so spricht man das aus) heisst in Wirklichkeit Slobodan Agatonović, aber das weiss hier praktisch niemand. Hier ist jeder nur bei seinem Spitznamen bekannt, das erschwert sehr oft die Suche nach Leuten.

Klassenfreie Quartierkneipe

Dieser Mika ist der Wirt der Quartierbeiz und wie gesagt ein Original. Hilfsbereit und freundlich zu allen und wie hat schon Peter Alexander in seiner kleinen Kneipe besungen: “…beim Wirt hier hat jeder Kredit”. Das macht seine Existenz auch nicht gerade leichter, aber man hört ihn deswegen nie klagen. Da er nebenbei noch ein paar Hektaren Land bearbeitet - er besitzt Schafe und Schweine - kann es halt mal vorkommen, dass ihn seine Frau vertritt, wenn er dringend auf dem Feld zu tun hat. Das sieht man dem Parkplatz von weitem an. Der ist dann fast leer, denn die Leute kommen wegen dem Original. Nur wenn er da ist, geht’s lustig zu. Das halbe Dorf kommt da zusammen, d.h. die Männer, denn in dieser Gesellschaft ist es heute noch üblich, dass die Frauen zu Hause bleiben. Aber dafür gibt’s keine Klassenunterschiede: Der Bauer, der Postbote wie auch der Direktor des Elektrizitätsversorgers sitzen mit dem Spitalarzt am selben Tisch und feiern. Es gibt immer was zu feiern. Ausserdem ist es Sitte, dass eine Runde als Einstand bezahlt, wer neu am Tisch Platz nimmt. Drückeberger, die sich an einen eigenen Tisch setzen, sind bald einmal verschrieen, und das sollte man gerade als Einwanderer tunlichst vermeiden.

Das kleine Bier

Es gibt auch hier grosse und kleine Flaschen Bier. Mika war wie oft am Herumalbern mit Stammgästen, als ihm vom Nebentisch einer zuruft: “Mika, eine kleine Flasche Bier!”. Mika beendet erst mal seine Geschichte und begibt sich dann gemächlich zur Theke und kommt mit einer grossen Flasche Bier zurück. “Aber Mika, ich habe eine kleine Flasche bestellt!”. “Kein Problem”, sagt Mika, greift sich sein Glas und schenkt sich ein, stellt die angebrochene Flasche hin und sagt: “Jetzt hast du eine kleine Flasche Bier!”

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Wenn er da ist, kommt Stimmung auf (Bild: Eduard Meister)

Keine Hilfe nötig vom Freund und Helfer?

Eines abends ist Mika bei Freunden eingeladen, die auf der andern Seite der Stadt wohnen. Er setzt sich in den Wagen und fährt abends hin. Sie essen und trinken bis in die frühen Morgenstunden. Als er um halb drei die Rückreise antritt, kommt er an einer Polizeikontrolle vorbei. Aber die beiden Beamten machen keine Anstände, ihn aufzuhalten. Glück gehabt, würde jeder von uns denken. Nicht so Mika. Fünfzig Meter weiter hält Mika an, legt den Rückwärtsgang ein und fährt zu den Beamten zurück, kurbelt das Fenster runter und sagt lallend: “Hei was macht ihr Arschgesichter um diese Zeit noch auf der Strasse?” Der eine Beamte zu ihm: “Aber Mika, du bist ja betrunken, fahr nach Hause, wir haben Dich nicht gesehen!”. Mika: “Was glaubt ihr eigentlich? Hier bestimme ich immer noch selbst, wann ich nach Hause gehe!” Während die Beamten ihn zu beschwichtigen versuchen, kommt zufälligerweise einer ihrer Vorgesetzten dazu, und nun müssen die Beamten wohl oder übel andere Saiten aufziehen. Mika muss blasen und der Test fällt mit 2,3 Promille recht eindeutig aus. Mika gibt auf der Stelle seine Fahrerlaubnis für 2 Monate ab und muss umgerechnet 150 Franken - fast einen halben Monatslohn - Busse bezahlen.

Nachdem er mir die Geschichte erzählt hatte, meine er: “Du musst mich einen Moment entschuldigen, ich muss nur schnell meinen Cousin nach Hause fahren, ich komme gleich zurück”. Ich, ganz verwundert: “Aber Du hast mir doch jetzt selbst erzählt, dass sie dir die Fahrerlaubnis entzogen haben!” - “Na und? Habe ich deswegen das Fahren verlernt?”

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Kommentare

  1. Catherine Beuret

    11.04.2009 8:17

    Ist das ein toller Bericht. Ich freue mich schon auf die Weiteren.

    Merci viumau.